Filmbeschreibung:
Ende der 1970er Jahre begann die DDR den Streifen zwischen Grenzzaun und wirklicher Grenze eine Fläche so groß wie Luxemburg landwirtschaftlich zu nutzen. Dazu mussten Bauern und Bewässerungs-Fachleute vor Zaun und Minenfeld, an der eigentlichen Grenze, arbeiten. „Feindwärts“ in der Sprache der DDR-Grenztruppen. Ein enormer Sicherungsaufwand wurde dafür betrieben: An jedem der Arbeitstage wurden Zaun und Selbstschußanlagen aufwendig geöffnet und außer Kraft gesetzt sowie vor Einbruch der Dunkelheit wieder verschlossen und eingeschaltet.Im Sommer 1981 arbeiten 4 Meliorationsarbeiter, unter ihnen Hartmut Endler, mit ihren Raupen und Baggern auf einer Lichtung. Zwischen ihnen und dem Westen ist nur noch die eigentliche Grenze. Sie ebnen Flächen, ziehen Gräben und leiten Wasserläufe um. Die Bewacher der Arbeiter, unter ihnen der Unterleutnant Horst und der Fähnrich Udo, nehmen ihre Aufgabe nicht allzu ernst; man kennt sich gut genug, duzt sich, spricht den gleichen weichen vogtländischen Dialekt. Alles ist eingespielt. Jeder macht gelassen seine Arbeit und toleriert den anderen. Die Grenzanlagen hinter ihnen spielen für die Arbeiter keine Rolle. Auch wenn die Arbeiter viel Zeit vergammeln und in der Sonne liegen: Man lässt sich gegenseitig in Ruhe und spielt in der Pause auch mal einen Skat miteinander.
Dieses Skatspiel, wenige Meter von der Grenzlinie entfernt, wird von Joachim, einem Beamten der Bayerischen Grenzpolizei, mit dem Fernglas beobachtet und laut kommentiert.
Auf diese so banale Weise entsteht 1981 nach und nach an der innerdeutschen Grenze, durch den „eisernen Vorhang“ hindurch, zwischen 9 „Klassenfeinden“ eine Ost-West-Beziehung, die sich über ein Jahr hinzieht. Am Anfang waren es nur die Arbeiter und der bayerische Grenzpolizist Joachim, die sich alle paar Tage trafen. Dann kommen auf der Westseite noch der Zöllner Siegfried, auf der DDR-Seite der Fähnrich Udo und der Unterleutnant Horst hinzu. Zwischen den westdeutschen Zöllnern und Grenzpolizisten sowie den ostdeutschen Arbeitern entsteht im Verlauf des Jahres eine Freundschaft, die zwei Sommer lang halten wird. Unter Umgehung aller Regeln, Verbote und Strafandrohungen, geschützt durch Bäume und Erdwälle, unterhält man sich über Alltägliches und Familiäres und macht nebenbei auch mal ein paar Fotos von diesen Treffen. Geschenke werden aus dem Westen mitgebracht: Autoradios, Kugelschreiber, Uhren, Zeitungen, „Penthouse“ alles, was man in der DDR gebrauchen und in der Mangelwirtschaft nicht bekommen kann.
Die vier Arbeiter, die an der Grenzlinie tätig sind, werden nach einem Jahr in den Westen fliehen. Udo, der Fähnrich der DDR-Armee, der ihre geheimen Treffen gedeckt hatte, kann ihnen nur noch hinterher schauen. Die Flüchtenden erschießen will er nicht. Das wäre Mord, denkt er und handelt auch so.
Noch während der bayerische Zöllner den Geflüchteten im Westen Arbeit verschafft, kommt auf der DDR-Seite eine Lawine ins Rollen. Die Stasi entdeckt im Haus eines der Geflüchteten die Fotos und verhaftet die beiden beteiligten DDR-Offiziere. Nach endlosen Verhören werden sie in einem Militär- Prozess verurteilt und wandern für knapp 2 Jahre ins Gefängnis.
Die vier Arbeiter aus der DDR genießen derweil die neue Freiheit und hoffen, ihre Familien bald in den Westen nachholen zu können. Doch das schließt die Stasi kategorisch aus. Stattdessen schickt sie zuverlässige Verwandte und Ehefrauen in den Westen, um die Geflohenen zur Rückkehr zu bewegen. Kommen sie zurück, verspricht ihnen die Stasi Straffreiheit und weitere Vergünstigungen. Man will, so ungewöhnlich das klingt, ein Exempel statuieren und glückliche, vom Kapitalismus enttäuschte Heimkehrer im Schoß des Sozialismus sehen! Die Geflohenen lassen sich überzeugen und kommen tatsächlich zurück. Die Stasi hält Wort, aber fortan werden die Rückkehrer von Freunden und Verwandten der DDR-Geheimdienstmitarbeit verdächtigt und im Heimatort gemieden. Kaum einer redet noch mit ihnen.
Eine Posse? Nicht, wenn man bedenkt, dass die beiden DDR-Grenzoffiziere, die den Männern vertraut hatten, ins Gefängnis gewandert sind. Was geschah damals wirklich? Der Film erzählt diese einmalige, diese ungewöhnliche Geschichte aus dem Schattenreich der deutschen Teilung nicht als abgeschlossenes historisches Ereignis, sondern schilderte das Erlebte in Einzelporträts, die über den geschichtlichen Fakt hinausgehen.
Stab:
Buch und Regie: Henry Bernhard
Kamera: Jürgen Hoffmann
Schnitt: Claudia Nagel
Aufnahmeleitung und Ton: Martina Fluck
Eine Koproduktion mit dem Mitteldeutschen Rundfunk 2009
Gefördert durch die Bundesstiftung Aufarbeitung
Länge: 45 Minuten
Format: HDV 1080/50i / Digital Betacam 16:9
© 2009 YUCCA Filmproduktion Hamburg
Harmut Endler (ehemal. DDR-Arbeiter) und Ehefrau Vera
Siegfried Schmutzer (ehemal. bayerischer Zöllner) mit Enkel Luis
Joachim Vollert (ehemal. bayerischer Grenzpolizist)
Udo Unterdörfer (ehemal. DDR-Grenzoffizier)
Bayerisch-Sächsische Grenze 2009
Regisseur Henry Bernhard und Kameramann Jürgen Hoffmann
Grenztürme